Niki und das kleine Mädchen
Herminchen öffnet die Tür und lugt hinaus.
Ein Schwall eiskalter Schnee wirbelt ihr ins Gesicht.
„Mach die Tür zu,“ brummt Herrmann.
„Du hast die Ruhe weg,“ faucht seine Angetraute.
„Draußen tobt ein Schneesturm und Niki ist noch unterwegs.“
„Unser Sohn ist schlau, der wird sich schon unterstellen.“
Die Trollin setzt sich hin, lauscht aber immer wieder ängstlich dem Heulen des Sturms.
Sie schreckt auf, als die Tür mit einem Schwung aufgeht und Schnee und Eis in die Stube weht.
Niki, der aussieht wie ein Schneemann, ruft verzweifelt.
„Papa, Papa, komm schnell, draußen im Wald liegt ein Mädchen, es wird erfrieren.“
Er zieht den Troll an der Hand zur Tür.
„Sachte, sachte, meine Junge, ich muss erst meinen Mantel anziehen und ein Decke brauchen wir auch.
“Der Sturm tobt und jault und wirbelt ihnen Schnee und Hagel ins Gesicht. Mühsam kämpfen sie sich vorwärts.
Unter einem Baum liegt das Mädchen.
Hermann hüllt es in die Decke und sie kämpfen sich zurück zur Höhle.
Herminchen nimmt das Kind und rubbelt es kräftig ab, dann zieht es ihm ein Unterhemd von sich an und wickelt es in eine warme Decke.
Während sie in der Kochnische Tee kocht, stehen Hermann und Niki vor dem Bett und betrachten das Mädchen besorgt.
Dieses schlägt die Augen auf und schaut sich verwundert um.
„Bin ich im Himmel?“
Hermann lacht dröhnend.
„Sehen wir aus wie Engel?
Das Mädchen zuckt die Schultern.
„Ich bin noch nie einem Engel begegnet, aber wie auf den Bildern seht ihr nicht aus. Wer seid ihr?“
„Wir sind Trolle und Niki ist ein Wichtel, aber es scheint dir wieder besser zu gehen.Hier trink den Tee.“
Das Mädchen setzt sich auf und nimmt die Tasse, die Herminchen ihr reicht.
„Sobald der Schneesturm sich gelegt hat, werden wir dich zu lieben Menschen bringen, die können dir weiter helfen. Was wolltest du denn im Wald bei diesem Wetter?“
„Oh, als ich weg ging, war es noch nicht so schlimm. Ich wollte ein paar Tannenzweige holen und unser Zimmer schmücken, so wie wir früher unser Häuschen geschmückt haben. Ich wollte Mama eine Freude machen, denn seit Papas Tod weint sie abends immer im Bett, wenn sie denkt ich schlafe schon.“
Und die kleine Christel erzählt ihnen, dass ihr Vater als Holzfäller bei dem geizigen Moosbauer gearbeitet hat und letzten Sommer von einem fallenden Baum erschlagen wurde. Darauf hat der Bauer sie aus ihrem Häuschen geworfen, aber ihrer Mutter vorgeschlagen, sie könnte bei ihm als Magd arbeiten. Nun lebten sie in einer Dachkammer und ihre Mutter musste den ganzen Tag schwer arbeiten, deshalb wollte sie ihr eine Freude machen.
„Und nun habe ich mich verlaufen und Mama wird sich große Sorgen machen.“
Tränen laufen über ihr Gesicht und Niki heult laut mit.
„Nun, nun,“ brummt Hermann unbehaglich. „Jetzt wollen wir erst mal etwas essen, dann bringen wir dich zu dem Mann ohne Haare und der wird dann schon wissen was zu tun ist.“
Während des Essens erzählen sie von Oma und Opa Schinkel und ihren Enkelinnen und bald ist es Christel als würde sie die Familie schon lange kennen.
Am Nachmittag war der Schneesturm müde geworden und zog sich zurück.
Hermann packte das in warme Decken gehüllte Mädchen auf den Schlitten und fröhlich machten sie sich auf den Weg zum alten Forsthaus.
Während Hermann das Mädchen vom Schlitten hebt, läutet Niki Sturm.
Oma Schinkel öffnet und über ihr Gesicht fliegt ein erleichtertes Lächeln als sie das Mädchen auf dem Arm Hermanns erblickt.
„Welch ein Glück, ihr habt sie gefunden, kommt herein.“
Die vier folgen der alten Frau in die Küche.
„Ein Suchtrupp ist unterwegs.Deine Mutter hat den Moosbauern gebeten nach ihr zu suchen, doch der wollte nicht und hat auch ihr verboten dich zu suchen. Doch deine Mutter ist zum Bürgermeister und nun suchen alle Männer aus dem Dorf nach dir, auch mein Mann ist dabei. Ich sage ihnen schnell Bescheid.“
Als sie zurückkommt meint sie bedauernd: „Hermann, Herminchen, Niki, mein Mann wird gleich da sein und er bringt noch den Bürgermeister, den Förster und die Mutter des Mädchens mit, ihr müsst leider gehen, aber ich habe euch schon einen Korb mit Lebensmittel hergerichtet.“
Und sie zwinkert Niki zu, „im Korb ist auch eine große Dose mit Keksen.“
Niki strahlt, doch dann wird er traurig.
„Dann werden wir uns nicht mehr sehen, Christl.“
Das Mädchen umarmt ihn. „Ich weiß doch wo ihr wohnt und werde euch besuchen.“
„Aber nur bei schönem Wetter,“ lacht Hermann.
Als die Familie das Haus verlassen hat, bittet Frau Schinkel Christl niemand von den Trollen zu erzählen, denn die Menschen würden es nicht verstehen.
„Aber natürlich, sie haben mir das Leben gerettet, ich würde sie niemals verraten, darf ich auch Mama nicht davon erzählen.“
„Vorerst nicht, wir erzählen, du hättest dich im Schneesturm im Wald verlaufen und wärst bei unserem Haus gelandet. Es liegt ja direkt an unserem Wald.“
Während der Kaffee durch die Maschine läuft, decken die beiden den Tisch.
Die Haustür wird aufgeschlossen und eine junge verhärmt aussehende Frau stürzt in die Küche und umarmt weinend ihre Tochter.
„Ach meine Kleine, wenn ich dich nun auch noch verloren hätte.“
„Mama, ich hatte einen Schutzengel!“
„Ja,“ rief die Oma, „ und dieser Schutzengel hat sie aus unserem Wald direkt zu mir gebracht.“
Dabei zwinkerte sie ihrem Mann zu , der sofort verstand.
Polternd rief er. „ Nun wollen wir uns aber setzen, meine Frau hat uns eine gute Brotzeit hergerichtet.“
Bald herrschte eine vergnügte Stimmung, waren sie doch alle froh, dass Christl gesund und munter bei ihnen saß.
Das Mädchen musste nun erzählen, warum es eigentlich in den Wald gegangen ist.
Ihr Mutter drückt sie stumm, als sie erfährt, dass Christl ihr eine Freude machen wollte mit ein paar Tannenzweigen.
Stürmisch läutete es an der Tür und Herr Schninkel ging hinaus und kam wenig später mit einem grobschlächtig grimmig schauenden Mann zurück, dem Moosbauern
Zornig fixierte dieser die kleine Christl, der es ganz bange wurde unter seinem Blick.
„ Wie ich sehe habt ihr das Gör wieder gefunden, also Magda kannst wieder kommen, die Kuchl ist kalt und wir warten auf das Essen.“
Die Männer murrten und Herr Schinkel legte dem neben ihm stehenden Bauern die Hand auf die Schulter.
Die Brandner wird ab heute nicht mehr bei dir Leuteschinder arbeiten sondern bei uns als Stütze meiner Frau.
Boshaft lachend rief der Bauer, „des wird sie net, sie hat an Vertrag bei mir, den muss se einhaltn.“
Christls Mutter sprang auf. „ In dem Vertrag steht, dass du mir Kost, Logi und einen Stundenlohn von 8.50 € gibst seit einem Jahr bin ich nun bei dir und habe noch keinen Cent bisher bekommen!“
Opa Schinkel grinst „ und wieviel Stunden arbeitest am Tag.“ „12“
„Bürgermeister kann Frau Brandner das einklagen.“
„Sicher,“ lacht dieser, der auch studierter Rechtsanwalt war, „und außerdem kann der Vertrag mit sofortiger Wirkung aufgehoben werden, da sie ja nie Lohn bekam.“
Der Bauer ballte die Fäuste, stieß einen Fluch aus und stürmte aus dem Haus.
Bald verabschieden sich auch der Bürgermeister und der Förster.
Sie versprachen beim Moosbauern die Sachen von Frau Brandner und ihrer Tochter abholen zu lassen.
„Und wir dürfen tatsächlich hier bleiben?“, fragte die junge Frau schüchtern. Und als sie später die wunderschönen Zimmer besichtigten, die nun ihnen gehörten, liefen ihr die Tränen über das Gesicht.
Als alles schlief trat Magda ans Fenster und sah hinauf in den glitzernden Sternenhimmel.
Ein Stern blinkte besonders hell.
„Danke, dass du auch von dort oben auf uns aufpasst, mein lieber Anderl.“
© Lore Platz 15.12.2020
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