Der Tanz der Schneeflocken
Hurtig Nordwind spiele auf,
stimme deine Geigen
Schneeflocken wollen dir
den neusten Tanz nun zeigen
In zartem Schmelz die weißen Flöckchen
so wirbeln sie hernieder
Und dreh`n vergnügt nach der Musik
die zarten feinen Glieder
©
Lore Platz 2015
Die kleine Schneeflocke
Glitzerchen sieht bewundernd an sich herunter. Wie wunderschön ihr Kleidchen doch ist.
Zum ersten Mal ist sie nun eine Schneeflocke.
Vor kurzem noch lag sie mit ihren Geschwistern in einer schmutzigen Pfütze.
Doch dann kam Mutter Sonne und saugte sie alle auf.
Ach wie herrlich warm war es da, doch je höher sie stiegen umso kälter wurde es, bis es richtig schrecklich war und sie für einen Moment das Bewusstsein verlor.
Als sie wieder erwachte befand sie sich in dieser Wolke und trug ein herrlich glitzerndes weißes Kleid.
Mit spitzen Fingern hebt sie das Röckchen und dreht sich wie ein kleine Ballerina.
Fröhliches Lachen reißt sie aus ihrer Verzückung.
Kristalla, die schon oft den Kreislauf der Natur durchlebt hat und zur Schneeflocke wurde, fragt lächelnd.
„Es gefällt dir wohl dein neues Kleid, das ging mir genauso beim ersten Mal, aber nun komm, das große Wolkentor wird geöffnet.“
Sie nimmt die Jüngere an der Hand und sie laufen zum Tor, an dem sich tausende von zarten weißen Flöckchen kichernd und schwatzend versammelt haben.
Frau Holle kommt aus ihrem Zimmer und klatscht in die Hände.
„Ruhe meine Damen, etwas mehr ernst bitte!“
Sie drängt sich durch die kleine Schar nach vorne und winkt ungeduldig die naseweisen Flöckchen etwas zurück.
„Tretet zur Seite, sonst kann ich ja das Tor nicht öffnen,“ ruft sie ärgerlich.
Langsam schwingen die beiden Flügel des schneeweißen Wolkentores auf und vor ihnen erscheint der graue Himmel.
Das lustige Gesicht des Windes taucht auf und fröhlich ruft er.
„Nun denn auf, wir wollen tanzen!“
Mit einem Jubelschrei stürzen sich tausend und abertausend weiße zarte Schneeflocken in die Tiefe.
Frau Holle tritt schnell zurück, damit sie nicht mitgerissen wird.
Kristalla aber fasst Glitzerchen fest an der Hand, damit sie nicht getrennt werden.
Diese jubelt begeistert, wie schön war dieser freie Fall in die Tiefe.
Unter ihnen wird ein Wald sichtbar und Kristalla zieht ihre Freundin zu einem Baum, auf dessen Ast sie sich nieder lassen.
Viele ihrer Schwestern haben dieselbe Idee und bald sind die Bäume schneebedeckt.
Ein Eichkätzchen lugt neugierig aus seinem Kober und springt dann von Ast zu Ast und kichernd fallen die Schneeflocken, die dort geruht haben zu Boden.
Auch Kristalla und Glitzerchen sind unter ihnen.
Glitzerchen gefällt das gar nicht, von hier unten konnte man doch gar nichts sehen.
Kristalla aber winkt dem Wind.
„Wir wollen in die Stadt lieber Freund.“
„Zu Diensten meine Damen.“
Und er pustet in den Schneehaufen, wirbelt die vergnügten Flöckchen empor und treibt sie vor sich her in die Stadt.
Auf einem Dach lassen sie sich nieder.
Glitzerchen sitzt neben ihrer Freundin und sieht hinunter auf die beleuchteten Straßen, dann deutet sie auf den Weihnachtsbaum, der mitten auf dem Marktplatz steht.
„Oh wie bunt und schön, ganz anders als die Bäume im Wald.“
„Das ist ein Weihnachtbaum!“
Und Kristalla erzählt nun der aufmerksam lauschenden Glitzerchen, dass die Menschen jedes Jahr am
24. Dezember die Geburt des Herrn Jesus Christus, dem Sohn Gottes feiern.
Dass sie geschmückte Tannenbäume in ihren Zimmern aufstellen und Geschenke darunter legen.
Das Schreien von Kinderstimmen lässt sie zusammen zucken und vorsichtig lugen sie hinunter.
Eine Menge Kinder stürmt jubelnd aus dem Haus und bewirft sich mit Schneebällen.
„Hier wohnen aber viele Kinder,“ staunt Glitzerchen.
Kristalla lacht. „Wir sitzen auf dem Schulhaus“ und geduldig erklärt sie , was eine Schule ist.
Ein Mädchen fängt laut zu weinen an und Glitzerchen ruft staunend:
„Sieh, es kommt Wasser aus ihren Augen.“
„Das sind Tränen, du weißt aber auch gar nichts,“ lacht ihre Freundin.
„Na entschuldige, wenn man die erste Zeit seines Lebens in einer Wasserpfütze verbracht hat bekommt man nicht so viel von der Welt zu sehen.“ ruft Glitzerchen empört.
Das Klingen einer Glocke ertönt und leise murrend verschwinden die Kinder im Schulhaus.
„Komm wir wollen mal in das Klassenzimmer sehen!“
Kristalla nimmt ihre Freundin an der Hand und sie rutschen zum Fenster.
Die Kinder stürmen lärmend in den Raum und nach einigem Gerangel sitzen sie bald alle auf ihrem Platz.
Die Tür öffnet sich und ein Mann mit einer Gitarre in der Hand kommt ins Zimmer.
Die Kinder stehen auf und brüllen im Chor.
„Guten Morgen Herr Berger!“
Dieser winkt ab und meint nur: „Setzt euch!
„Heute studieren wir ein Lied für die Weihnachtsfeier ein.“
Und er erzählt den aufmerksam lauschenden Kindern von der schlesischen Lehrerin Hedwig Haberkern (1837 – 1902) die als „Tante Hedwig“ Erzählungen für Kinder schrieb.
Und in der „Geschichte von der Schneewolke „ kam dieses Lied vor, das sie heute einstudieren wollten.
Ein Junge teilt nun die Zettel mit dem Text aus, der Lehrer lässt einige Akkorde auf seiner Gitarre erklingen und dann singen die Kinder:
„Schneeflöckchen, Weißröckchen, jetzt kommst du geschneit.
Du kommst aus den Wolken dein Weg ist so weit“
„Die singen ja ein Lied über uns,“ staunt Glitzerchen.
Der Wind taucht neben ihnen auf.
„Wollen die Damen weiter fliegen?“
Und bald wirbeln sie wieder durch die Luft!
© Lore Platz 2015
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